Blick ins Archiv
Helmut Schmidt in Kulmbach – und eine gewitzte Werbung

In einem der vielen Fotoalben von Helmut und Loki Schmidt klebt eine ausgeschnittene Anzeige aus einer Zeitung. Handschriftlich darauf vermerkt ist das Datum: 6.7.69. Der schnelle Blick erfasst sofort drei Dinge. „Helmut Schmidt“ steht da, dann „Textilsortiments“ und unten die Schwarz-Weiß-Zeichnung eines Ladengeschäfts. Als erster Gedanke liegt nah: Was?! Schmidt ist in einem Kaufhaus aufgetreten? Zwischen Damenblusen und Herrenhosen?

Diese Zeitungsanzeige haben die Schmidts in ihrem Fotoalbum aufbewahrt.

Cleveres Marketing

Doch nein, wer genauer hinschaut, entdeckt eine recht ungewöhnliche und gleichwohl gewitzte Form der Werbung. Das Bekleidungsgeschäft Wirth aus Kulmbach erwähnt den Besuch Schmidts in der direkten Nachbarschaft des Ladens und weist dann darauf hin, dass es nur 50 Meter weiter im eigenen Schaufenster einen Teil des – ob diese Bezeichnung nun so werbend ist, sei dahingestellt – Textilsortiments zu sehen gebe. „Sie sollten sich beides nicht entgehen lassen“, empfiehlt die Anzeige.

Inwiefern an jedem Julitag 1969 der Umsatz bei Nicol Wirth in die Höhe ging, würde eine umfangreichere Recherche nötig machen. Schnell lässt sich aber herausfinden, dass im Mönchshofgarten, dem Biergarten, in dem Schmidt zu Gast war, deutlich mehr los war als normal.

Helmut Schmidt macht Wahlkampf im Biergarten.

„(…) Bevor der Hamburger das Wort ergriff, flogen sein Sakko und die Krawatte in die Ecke.“

Frankenpost
Das Ehepaar im Mittelpunkt des Interesses.

Die Frankenpost erinnerte an den Besuch der Schmidts

In der Frankenpost ist 2015 anlässlich des Todes von Helmut Schmidt ein Artikel erschienen, der an den Schmidt-Besuch in Kulmbach erinnert. Darin heißt es: „Seinen Besuch in Kulmbach am 6. Juli 1969 haben viele Kulmbacher nie vergessen. Schmidt redete vor 5.000 Menschen im Mönchshof-Biergarten bei schwülwarmem Wetter bis zur Erschöpfung.“

Der Eintrag ins Goldene Buch

Weiter berichtet die Frankenpost, dass Schmidt damals als Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag in Kulmbach seinen Wahlkampfauftakt hinlegte. Gemeinsam mit Loki sei er im Flugzeug angereist. Auf dem Terminkalender standen zunächst der Besuch im Rathaus sowie der Eintrag ins Goldene Buch der Stadt, danach ging es in den Biergarten.

Helmut Schmidt verewigt sich mit seiner Unterschrift im Goldenen Buch.

Ein Ausschnitt aus der Zeitung

Die Zeitung schreibt: „Bei seinem Kulmbach-Besuch im Juli 1969 spricht Helmut Schmidt (…) über Hausfrauenrente und die Landwirtschaft. Doch in Erinnerung bleibt das Charisma des Hamburgers.“ Und weiter: „Schmidt kämpfte sich durch den Pulk der Autogrammjäger bis an das blumengeschmückte Rednerpult. (…) Bevor der Hamburger das Wort ergriff, flogen sein Sakko und die Krawatte in die Ecke.“

Dokumentiert ist der Kulmbach-Besuch der Schmidts von 1969 auch im Stadtarchiv Kulmbach, unter anderem durch die Fotos auf dieser Seite, die wir hier veröffentlichen dürfen.

Das Bräuhaus Mönchshof in Kulmbach gibt es nach wie vor. Das Modehaus Wirth jedoch hat 2009 dichtgemacht. Schade eigentlich. Die Marketingtradition zeugte 40 Jahre zuvor von einigem Selbstbewusstsein und einem absoluten Willen zum Erfolg, gepaart mit einer guten Portion Humor.

Das jedenfalls fanden wohl auch die Schmidts, als die den Zeitungsausschnitt als Andenken an die Reise nach Kulmbach in ihrem Fotoalbum verewigten.

Auch heute noch im Betrieb: das Hofbräuhaus Mönchshof in Kulmbach. Alle Fotos auf dieser Seite: Stadtarchiv Kulmbach